Mein Land

Dies war zeitweise ja dacht‘ ich
Mein Land
Das meine Mutter mir geschenkt mein Vater
Weinte bloß
Wenn er darüber sprach
Was es für ihn mal war

Seit dieser Inflation
Der Worte in so vielen Bildern
Stecken sie fest mir jetzt
Im Halse drin
Anstatt wie einst
Sanft
Mein Zuhause
Zu benennen

Und plötzlich
Ohne mich noch auszukennen
In meiner Welt
Weiss ich nicht mehr
Wo ich ich hier bin wo ist die Melodie
Der ich doch folgen wollte
Ein Hintergrundgemurmel nur
Das ich nicht mehr versteh‘

© jmpg 2017

Weinen können

Ich werde endlich weinen können
Wie eine Trauerweide sagt man
Crying like a willow
Solltest du einmal vor mir steh’n
Am Ende meiner Tage
Vielleicht
Um mir Adieu zu sagen

Je pleurerai des rivières
Sans retenue
Und ohne Scham weil
Auch dazu
Die Kraft mir fehlen wird

Die Bilder
Der verlorenen Jahre
Werden mich niederzwingen
Im Angesicht der Zeit
Die sich
So schamlos an uns beiden
Vorbeigemogelt hat

Ich werde es nicht wagen
Dich fest an mich zu drücken
Aus Angst
In einen Traum
Hinein
Zu greifen

 

© jmpg 16-09-16

Was du bist

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Bist du ein Fluss
Der ohne Scham mir
Seine Quelle zeigt
Tief eingebettet zwischen
Wald und Tal?

Eine Knospe erst
Noch trotzig fest verschlossen
Die nur zur Rose blüht
Wenn man sie sanft berührt?

Bist du ein Stern
Lichtjahreweit
Entfernt
Der jetzt
Zu meiner Sonne wird
Weil ich
Laut klagend
Deinen Namen rief?

 

© jmpg 2016 aus „Sowas wie Liebe“

Wenn du Kastanien sammelst

Ich dacht‘ ich schreib dir mal
Im Voraus denn
Es gibt dich ja noch nicht

Vielleicht hast du
Strohblondes Haar
Wie meine Jüngste einst
Oder die dunklen Augen
Wie Ebenholz so schwarz
Von meiner Ältesten

Du kennst mich nicht vielleicht
Hat niemand dir mein Bild gezeigt
Noch nicht einmal
Von mir erzählt
Von diesem alten Querkopf
Der schon so lange vor dir hier war

Denk mal an mich
Und schau mich an
Ich mag dich sehr
Auch wenn du glaubst
Ich könnt‘ dich gar nicht kennen

Wenn du allein bist
Jedesmal
Wenn du Kastanien sammelst
Und du die Schmetterlinge jagst
Wenn du die Katze streichelst
Und einschläfst irgendwann
Dann bin ich da
An deiner Seite
Und bin
So stolz
Auf dich

© jmpg 2016

Die Regelwächter

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Muss ich der Regelwächter Sprache
Lernen jetzt
Wo ich erfahren hab‘
Dass es sie gibt?

Die Sprache der Regeln
Die die Sprache regeln?

Und etwa auch
Die Regeln selbst?

Poesie ist das Sprach-Bild der Schönheit
Ihr Spiel entsteht spontan
Um dann
Der Bewunderung anheim gefallen
Für alle Ewigkeit
In ein Regelwerk gepresst zu werden
Das man doch nur
Dem Augenblick entrissen hat

Nicht jeder ist ein Hölderlin
Auch wenn so mancher
Das Ende mit ihm teilt.

März 2015
In einem Anfall von Desillusion

Horst Wessel revisited

Er hat noch nie
’ne Uniform getragen
Doch er marschiert
Mit ruhig festem Schritt
Er trägt sein Fähnlein
Stolz und ohne Fragen
Als wär er der
Gewerkschaft erste Schicht

Und schreit nur wir
Nur wir sind hier die Echten
Dass wir marschier’n
Ist vornehm uns’re Pflicht
Für Volk und gegen
Die Vaterlandsverräter
Der Presse und
Des osman’schen Geschlechts

Und gegen die
Vom falschen Volk gewählten
Vertreter des
Globalen Kapitals
Gegen all die
Die mehr als ich im Säckel
Auf ihrer hohen
Betteskante ha’m

Ganz gleich warum
Ich bin ja hier geboren
Mein Vater und
Mein Urgroßvater auch
Mir steht es zu
Nur mir und niemand anderm
Sogar dann wenn ich gar nichts dafür tu

Und willst du nicht
Mit mir hier aufmarschieren
Im Geiste und
Im Blut mein Bruder sein
Dann schlage ich dir
Wie einst des Adolfs Horden
Zu Recht den ew’gen
Judenschädel* ein

 

 

* (ad lib: Muslim-, Kommunisten-, Ausländer-)

© jmpg 28-03-17

Der Mescalero

Nachdem die Sonne
Für gestohlen erklärt worden war
War der Täter schnell ermittelt
Rastergefahndet wurde er
Erschlagen rasch
Noch ehe er gestehen konnte
Leider
Wurde die Beute
Nie gefunden seither
Ist aber
Ein Finderlohn ausgelobt und
Der Mescalero sitzt
In Schutzhaft
Bis er so schwarz ist wie der Tag
Und alles das nur weil er
Klammheimlich etwas sah
Als es noch
Leuchtend
Hell war

© jmpg 2015 Auszug aus „Im Schlepptau der Nacht“, Politische Gedichte